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Analytische Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen

Unterschiede zwischen einer Psychotherapie mit Kindern- und Jugendlichen und einer Psychotherapie mit erwachsenen Patienten

 

Kinder- und Jugendlichentherapie ist auch Familientherapie

 

Im Fokus der Therapeutin steht oft nicht  

  •      der einzelne Patient
  •     sondern der Patient Familie (Richter).

Die Therapeutin muss meist mindestens drei Generationen im Auge haben.

Die Therapeutin sollte die Eltern in ihrem oft verzweifelten Versuch, gute Eltern zu sein, verstehen, ohne den gesunden Entwicklungswunsch des Patienten und sein Leiden an der  momentanen Begrenztheit der Eltern aus dem Auge zu verlieren.

Kindertherapie hat es mit besonders verwickelten Übertragungsbeziehungen zu tun:

Sie arbeitet mit den realen Eltern und zugleich mit den „inneren“, phantasmatischen Eltern des Kindes.

Die Therapeutin arbeitet mit dem realen Kind wie auch mit dem „inneren“ Kind der Eltern, das jeweils von deren Phantasien und Projektionen geprägt ist.

Zwei Beispiele:

„Eine Mutter sucht die Klinik auf, weil ihr zehn Monate alter Säugling viel schreit und schlecht schläft. Sie hat den Eindruck, daß das Kind nicht so recht an sie gebunden ist. Ihre bewußte Phantasie ist, daß es keinen Körperkontakt mag. Zur Begründung kann sie auf das Verhalten ihres Kindes verweisen. Folgende Szene spielt sich ab: Das Kind sitzt auf dem Boden, und der Analytiker fordert die Mutter auf, es sich auf die Knie zu setzen. Sie tut es, und das Kind fängt an, ihr Gesicht zu explorieren. Sie versteift sich und sagt: »Tu mir nicht weh.« Dann setzt sie das Kind wieder auf den Boden. Es fängt an zu schreien, und sie meint: »Er mag es eben nicht, gehalten zu werden.« Im Gespräch erzählt sie, daß sie als Kind eine Reihe von Verletzungen erlitten hat und viele Operationen überstehen mußte; weiter, daß Thomas ihr schon im Mutterleib weh getan habe und ihr nach der Entbindung als erste Begrüßung die Infusionsnadel aus dem Arm riß. Das Mißgeschick bei der Geburt wird als aggressive Handlung des Kindes gedeutet, das sich die Mutter vom Leib halten muß, wenn sie ihren zerbrechlichen Körper schützen will. Der Zusammenhang zwischen einer Phantasie über die Schwäche des eigenen Körpers und einem Körperkontakt vermeidenden Interaktionsstil ist deutlich sichtbar (Cramer 1987, S. 1055 ff.).“ zit. nach Dornes, M.: Die emotionale Welt des Kindes. S. 79

„Stern (1971) beschreibt in einer Studie die Interaktion einer Mut­ter mit ihren dreieinhalb Monate alten Zwillingen. Der klinische Eindruck ist, daß die Mutter mit einem Säugling eine gute und glatt­laufende Interaktion hat, während sie mit dem anderen eher kon­trollierend und überstimulierend umgeht. Dies konnte durch Ver­gleich und Analyse des Interaktionsverhaltens auch belegt werden. Die Muster des wechselseitigen Blickkontakts wurden analysiert, und es stellte sich heraus, daß der Eindruck von Kontrolle und Überstimulierung u. a. daher rührt, daß die Mutter bei ihrem Erst­geborenen das Wegblicken als Zeichen dafür akzeptieren kann, dass er im Moment genug hat, während sie beim Zweitgeborenen das Wegblicken nicht duldet und immer wieder versucht, forciert Blickkontakt herzustellen. Im begleitenden Gespräch stellt sich heraus, daß die Mutter ziemlich ambivalent in bezug auf ihren Ehe­mann ist und in bezug auf die Tatsache, daß sie Zwillinge hat. Diese Ambivalenz wird so bewältigt bzw. ausgedrückt, daß sie im Erst­geborenen die guten, im Zweitgeborenen die schlechten und kontrollbedürftigen Gefühle unterbringt. Der Erstgeborene repräsen­tiert die guten mütterlichen Selbstanteile, der Zweitgeborene die schlechten Anteile des Ehemanns. Man kann sagen, daß sie mit einem Zwilling feinfühlig, mit dem anderen weniger feinfühlig um­geht, so daß beide Kinder vermutlich verschiedene Bindungsmuster entwickeln werden. Nehmen wir an, das Erwachsenenbindungs­interview hätte ergeben, daß die Mutter autonom ist. Dann hätten wir den Fall, daß eine autonome Mutter mit einem Kind feinfühlig, mit dem anderen aber uneinfühlsam umgeht, und zwar auf Grund spezifischer Phantasien über die Kinder.“ Dornes, M.: Die emotionale Welt des Kindes. S. 81f­

 

Die Therapeutin arbeitet mit Vater und Mutter und auch mit den inneren Bildern, die sie voneinander haben ‑ bei zerstrittenen oder getrennten Paaren kann sie es mit sehr feindseligen Projektionen zu tun haben.

Nicht nur das Kind, sondern auch Mutter und Vater übertragen ihre unbewussten Beziehungserwartungen und Objektvorstellungen auf die Kindertherapeutin, und sie reagiert jeweils mit einer spezifischen Gegenübertragung.

Insofern arbeitet sie, verglichen mit dem dyadisch strukturierten Beziehungsfeld der „klassischen“ Psychoanalyse, innerhalb eines erweiterten analytischen Bezugsrahmens.

 

Typische traumatische Rollen des Kindes

Das Kind als Substitut für eine Elternfigur Beispiel: Sascha und Max

Das Kind als Gatten-Substitut

Das Kind als Substitut für eine Geschwisterfigur Beispiel: Friederike Simone Max

Das Kind als Substitut des idealen Selbst

Kind soll die Lebensziele der Mutter oder des Vaters erreichen

Das Kind als Substitut des negativen Selbst

Aus: H. E. Richter: Eltern, Kind, Neurose

Fallbeispiele

  • Der Vater von Sara: das Kind ist so krank und dominant wie seine Gattin
  • Die Mutter von Max: Der Junge ist so jähzornig wie der eigene Vater und wie sein Vater
  • Die Mutter von Sascha: Der Junge ist so gewalttätig wie der eigene Vater
  • Der Vater von Simone: Die Mutter hat ihn verlassen, als Simone geboren wurde, wie seine Mutter ihn verlassen hat, als die Schwester geboren wurde. Simone hat ihm die Liebe der Mutter genommen wie damals die Schwester.
  • Der Vater von Jens: das Kind hat gebrüllt wie seine jüngere Schwester, als sie geboren wurde – er hat damals gesagt: Bringt sie zurück ins Krankenhaus

Der Umgang des Erwachsenen mit seinem Kind ist zugleich ein Umgang mit den unbewussten kindlichen Anteilen in ihm selbst, und dies kann für die Eltern zu neuen, reiferen, geglückteren Lösungsformen ihrer verinnerlichten Konflikte führen. (s. Fallbeispiel Sabrina)

So wie die Kindertherapeutin in der Übertragung des Kindes vielfach Vater oder Mutter repräsentiert, so repräsentiert sie im Kontakt mit den Eltern oftmals das Kind.

Nicht nur als „Anwalt des Kindes“ tritt sie den Eltern gegenüber, sondern sie ist mit dem Kind identifiziert, vertritt gerade diejenigen Seiten des Kindes, die von den Eltern nicht oder verzerrt wahrgenommen werden.

Am Schnittpunkt der gegenseitigen Projektionen kann die Therapeutin die Bilder, die beide Seiten voneinander haben, wahrnehmen und in Frage stellen.

 

Unterschiedliche Behandlungskonzepte

Eine scharfe Trennungslinie zwischen analytischer Therapie und tiefenpsycholog. fundierter Therapie kann bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht gezogen werden.

Prüfungsfrage:

Welcher der folgenden Aspekte unterscheidet die klassische Psychoanalyse und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie am deutlichsten? (A) Annahme unbewusster Motive (B) Bearbeitung neurotischer Konflikte (C) Bearbeitung von Widerstand (D) Bedeutung von Einsicht (E) Tiefe der therapeutischen Regression

 

Manchmal verschränken sich die beiden Formen in einer einzigen Sitzung

Auch Motivation und Leidensdruck sind unterschiedlich.

In der Regel wird ein  Kind ‑ und oft auch ein Jugendlicher - geschickt oder gebracht.

Ein Kind, manchmal auch ein Jugendlicher, leidet oft nicht bewusst unter seinem Symptom, er fühlt sein Leiden eher indirekt und kann es auch nur indirekt ausdrücken. Meist sind es die Eltern, die einen Leidensdruck verspüren, oder die Erzieher oder Lehrer.

Die Therapeutin sollte das Kind und den Jugendlichen  so ansprechen können, dass sie sich verstanden fühlen und eine eigene Motivation für die Therapie entwickeln können

Kinder und Jugendliche befinden sich mitten im Entwicklungsprozess und in für diesen Prozess wichtigen Bindungen und Abhängigkeiten.

D.h. Therapie greift in diese Entwicklungsprozesse ein und kann sie beschleunigen, Retardierungen und Fixierungen schneller aufheben.

Die Symptomatik ist weniger chronifiziert als bei einem Erwachsenen, dafür kann die Dynamik in der Familie zementierend wirken.

Prüfungsfrage:

Ein 15‑jähriger Junge wird von seinen Eltern einem Psychotherapeuten vorgestellt. Die Eltern beklagen die Interesselosigkeit des Jungen, Mangel an Aktivität und Initiative sowie geringen schulischen Fleiß. Er verbringe die meiste Zeit mit Spielen am Computer, auch seine Fähigkeit zur Aufnahme sozialer Beziehungen sei eingeschränkt. Die Eltern befürchten eine psychische Fehlentwicklung bei dem Jungen sowie Misserfolge auf dem Gymnasium und drängen auf eine Behandlung, die ihren Sohn mobilisieren soll. Sie möchten sich als Therapeut ein Bild von der Problematik aus der Sicht des Jungen machen und vereinbaren deswegen ein Einzelgespräch. Welche der nachfolgend genannten Schwierigkeiten des Motivations‑ und Beziehungsaufbaus ist in der Therapie dieses Jungen am ehesten zu erwarten? (A) Der Aufbau eines Arbeitsbündnisses ist in diesem Alter noch nicht möglich. (B) Der Junge wird den männlichen Therapeuten als Konkurrenten ablehnen. (C) Der Junge wird den Therapeuten zuerst als Verbündeten der Eltern ansehen, der die Wünsche der Eltern umsetzen soll. (D) Die Konzentrationsfähigkeit von Jugendlichen ist noch nicht ausreichend, um eine 50‑minütige Therapiesitzung durchzuführen. (E) Die Problematik weist auf einen frühkindlichen Autismus hin, der den Jungen generell an konstruktiver Beziehungsgestaltung hindert.

 

Kommunikation

Die Sprache ist nicht das Hauptkommunikationsmedium von Kindern, sondern ihr Spiel und ihre Aktionen.

Fallbeispiel

  • Max Konfliktbewältigung mit Comics und Bildern

Auch Jugendliche machen emotionale Mitteilungen oft leichter über scheinbar oberflächliche Berichte über Soaps, Musik(texte), Peergroup-Erzählungen, Filme.

Die Therapeutin muss die dem jeweiligen Entwicklungsstand seines Patienten

angemessene Kommunikationsebene beherrschen

- von der präverbalen Zeit des Säuglings bis hin zur oft ritualisiert-vereinheitlichten Sprache des Jugendlichen,

das heißt, dass sie die Sprache des Spiels, des Körpers, der Mimik, der Sensomotorik, des symbolischen Ausdrucks mit bildnerischen Mitteln, aber auch des Agieren nicht nur verstehen, sondern sie sollte auch spontan darauf reagieren können.

Nur so kann er den hinter dem Agieren stehenden Beziehungssinn mit dem Kind/Jugendlichen zusammen herausfinden und indem er darauf antwortet, einen förderlichen Prozess in Gang setzen.

Dazu ist es nötig, den phasenspezifischen Abhängigkeits‑Autonomie Status zwischen Mutter-Vater‑Kind zu erfassen und in die verbalen und/oder nonverbalen Interventionen einzubeziehen

 Der Therapeut sollte die Ambivalenzen zwischen bewusst geäußerten Wünschen nach mehr Autonomie und den unbewussten, oft schambesetzten Abhängigkeiten und Bindungen verstehen und aushalten können

Zentral ist das Verständnis, dass ein Symptom immer die bestmöglichste, kreative Lösung des Kindes darstellt, um mit einem familiären Konflikt innerlich zurechtzukommen u n d ihn darzustellen

Ein Kind braucht sein Symptom, um innerhalb seines Abhängigkeitsfeldes psychisch funktionieren zu können. Der Therapeut muss ihm das Gefühl vermitteln, dass er das versteht.

Falls Institutionen erkannt haben, dass das Kind leidet, muss der Therapeut bei den Eltern ein Bewusstsein für dieses Leiden schaffen, ohne sie zu beschämen.

Der Therapeut sollte die Symptomatik des Kindes in den regulären Entwicklungsprozess einordnen können.

So kann es zum Beispiel bei dem einen Kind ein Entwicklungsfortschritt sein, wenn es eine Schaufel Sand ins Therapiezimmer kippt, während es sich bei dem anderen Kind um einen Widerstand gegen Entwicklung handelt.

 

Spezielle Behandlungstechnik I

 

Übertragung

Übertragung ist die Wiederherstellung von typischen Beziehungsmustern der infantilen Vergangenheit in die Gegenwart der psychotherapeutischen Beziehung, gerichtet auf die Person des Therapeuten.

Schwierige Übertragungsmuster

  • Bei einer unsicher-vermeidenden Bindung die Erwartung, dass in der Not keiner helfen wird/kann
  • Passiv getönte Anspruchshaltung: der Andere macht es schon
  •   Besondere Erwartungen der Eltern erfüllen: schon früh der Ersatzpartner eines Elternteils sein, ihm als Gesprächspartner und Tröster zur Verfügung stehen, damit überfordert sein

Die Übertragungsprozesse bei Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich von den Prozessen bei Erwachsenen, weil sie noch mit ihren realen Eltern zusammenleben, an diese noch ihre Hauptbindungen haben, mit diesen ihre Hauptkonflikte.

Der Therapeut hat in diesen Konflikten eher eine Hilfs-Ich-Funktion

Für seine Arbeit ist eine milde positive Übertragung hilfreich.

Spezifische Übertragungsmanifestationen von Jugendlichen sind die „Verliebtheit“ in den Therapeuten, die sexualisierte Übertragung und starke negative Übertragungsreaktionen

 

Gegenübertragung

Gegenübertragungen sind unbewusste Reaktionen des Therapeuten auf die spezifischen Übertragungsangebote und Verhaltensmodi des Patienten.

Während in der Frühzeit der Psychoanalyse Gegenübertragungen als Störquelle im Prozess der Behandlung angesehen wurden, wird heute die Gegenübertragung als Erkenntnisinstrument geschätzt und genutzt.

Spezifische Gegenübertragungsreaktionen bei Kindern sind:

  • die Rivalität um das Kind mit den Eltern
  • einseitige Loyalitätsverteilungen zwischen Eltern und Kind
  • therapeutische Größenphantasien bei der Behandlung von „kleinen“ Menschen
  • Dosierung von Frustrationen (Stichwort „bessere Mutter“)
  • Ablösungsprobleme des Therapeuten von „seinem“ Kind

Jugendliche Patienten wecken wegen ihrer narzisstischen Haltungen aggressive und negative Gegenübertragungen. Sie können mit ihrem gereifteren Körper erotisierende Gegenübertragungen auslösen. Durch destruktive Handlungen gefährden sie die gleichschwebende Aufmerksamkeit des Therapeuten und verlangen reale Hilfsmaßnahmen.

 

Deutung

Ziel einer jeden Deutung ist es, unbewusste Inhalte in bewusste Vorstellungen zu wandeln

Bei Kindern können Deutungen auch im Spiel gegeben werden, in dem der Therapeut durch eine Figur spricht.

Deutungen können Bezüge zwischen einem aktuellen Verhalten und Erleben und einer Erfahrung in der Vergangenheit herstellen

Fallbeispiel Simone Elterngespräch   → D1

 

Phantasie

Phantasien sind Wunschproduktionen zur Überwindung enttäuschender und versagender Realität.

Während in der Phantasie alles möglich ist, ist das Spielen oder Handeln anderen Gesetzen und damit auch Grenzen unterworfen.

Die Deutung einer Phantasie sollte von den ich-nahen zu tieferen Schichten erfolgen. Zu tief ansetzende Deutungen werden entweder wegen mangelnder Vorbereitung abgelehnt oder gefährden als befremdendes Eindringen den therapeutischen Kontakt.

Während neurotische Phantasien in ihrem Inhalt aufdeckend gedeutet werden, sollte bei frühen Störungen (z.B. Borderline, Autismus und Psychose) die Deutung der mit den Phantasien verbundenen Ängste zur Wiedergewinnung eines stärkeren Realitätsbezugs hervorgehoben werden.

 

Träume

Kinderträume sind kaum verhüllte Wunscherfüllungen, denen als Tagesrest Versagungsereignisse oder Enttäuschungserlebnisse vorausgegangen sind.

Häufig kommen Alpträume vor, in denen das Kind sich verfolgt fühlt, nicht von der Stelle kommt.

„Ein Kampfhund verfolgt mich und beißt sich in meiner Wade fest. Ich reiß mich los und er hat ein Stück vom Bein weggerissen, ich renne immer weiter und falle hin und wache auf, ich habe Angst, mein Herz klopft und ich kann nicht wieder einschlafen.“

Max 11 J.

Träume von Jugendlichen zeigen oft das Vorübergehende, Flüchtige, Labile ihrer Lebenssituation

Es sind oft Katastrophenträume

Träume

„Ich war mit einer Person zusammen durch einen Wald gelaufen, viele Bäume, licht, nicht dunkel. Wir waren in einem riesengroßen Haus, vielleicht ein Schloss, da waren viele verschiedene Arten von Torten, Kuchen. Die Person, mit der ich am Anfang zusammen war, ich hatte das Gefühl, es sollte eine Freundin sein, die war dann weg. Ich wollte nichts von dem Kuchen essen und was da noch war. Ich war in einem großen Saal mit ganz vielen anderen Leuten, ich weiß nicht, ob ich die kannte oder nicht, wir gucken in den Himmel, da kam ein Flugzeug abgestürzt, auf uns abgestürzt, uns allen war klar, dass die Welt kaputt geht, untergeht, da guckte ich wieder zum Flugzeug, habe überlegt, ob jemand von meiner Familie überlebt hat, dachte bestimmt nicht, dachte, es müsste Chaos sein auf der Welt, da guckte ich auf das Flugzeug hoch und obwohl so viele Menschen um mich standen, dachte ich, dass das Flugzeug auf mich stürzen würde. Ich dachte, es ist ja egal, die Leute, die ich kenne, meine Familie, sind tot, alle Menschen sind umgekommen. Die im Saal, die interessieren mich nicht.“

Johanna, 19 J.

„Ich und Anna und alle meine Freunde, wir waren alle Fische. Irgendein Fisch hatte viele kleine Kinder. Wir mussten wegschwimmen. Es gab Wächter an den Toren. Hinter uns war was Böses. Wir mussten durch die Tore schwimmen. Um der Bedrohung zu entkommen, musste man durch die Tore schwimmen, aber es haben nicht alle geschafft. Die Wächter standen an den Toren, als wenn sie zu den Bösen dazugehören. Sie haben gedroht, wenn wir nicht durch die Tore gehen, bringen sie uns um. Aber es sind nicht alle rechtzeitig nachgekommen. Als wir ganz durch waren, haben alle geweint, wir haben alle Freunde verloren. Alle Kinder blieben zurück. Ich bin aufgewacht und habe geweint.

Simone 14 J.

Agieren

Agieren ist bei Kindern und Jugendlichen weniger ein Widerstand gegen die Erinnerung als vielmehr eine Zufluchtnahme zu Motorik und Handeln. Damit steht das Agieren auch weniger gegen das Sicherinnern als vielmehr gegen die Verbalisierung unangenehmer Affekte.

Je früher sich ein Trauma oder eine Störung ereignet, umso mehr ist davon auszugehen, dass diese Patienten in Sinne von Wiederholungszwang und Affektabfuhr besonders zum Agieren neigen.

 

Spezielle Behandlungstechnik II

Altersregression und Ich-Spaltung

Gefühle, Gerüche, Musik, Geschmack(Proust: Madeleine) können dazu führen, dass Bilder aus der Vergangenheit hochsteigen, dass man in die Vergangenheit zurückkatapultiert wird. Das kann man therapeutisch nutzen, indem man als der jetzt Ältere auf das verzweifelte jüngere Kind schaut und ihm die Kompetenzen zur Verfügung stellt.

Fallbeispiel Sabrina    → D2

 

Aufbau eines hilfreichen inneren Dialogs

Bei Kindern kann dieser hilfreiche innere Dialog vor allem im Spiel entstehen z.B. als Dialog zwischen einer Mama- und einer Kindfigur

Dieses Spiel kann mit Handpuppen, mit Tierfamilien oder im Sandkasten entstehen

Es kann auch als Comic gezeichnet werden.

„In der nächsten Stunde wurde gemalt.

Strohkopp hatte zwei Zeichenblätter. Birkenpappel sagte: »Wir malen eine Osterlandschaft und wollen sie unseren Eltern schenken. «

Und da saß dann der Hannes. Wenn er daneben malt, ist erst einmal ein Blatt verloren. Wenn ihm die Farben ineinander laufen, ist es auch nicht besser. Und da saß er vor dem schönen neuen Blatt und fürchtete sich. Er schaute auf Joao, den Indianer, neben der Tafel. Der kam und sagte: »Ein Krieger fürchtet sich auch nicht vor einem Blatt Papier. Male einen Berg. Wo du ihn malst, genau dort ist er richtig. Und wenn du ihn daneben malst, dann ist er dort richtig. Es ist egal, wo er gemalt wird; jede Stelle ist für ihn richtig. «

Hannes malte ohne Furcht einen Berg. Blau. War richtig.

»Und nun einen Fluss. Es ist egal, ob er breit oder schmal ist, denn ein Fluss ist einmal breit, einmal schmal.«

Hannes malte einen Fluss. Grünlichblau. War wieder richtig.

»Die Bäume«, sagte Joao, »groß oder klein, es ist immer so richtig, wie du sie malst. «

Und der Hannes malte heute das schönste Bild seines bisherigen Lebens. Ein echtes Kunstwerk. Dann noch eine Landschaft.

Aus: Janosch: Du bist ein Indianer, Hannes. dtv Junior.1993

 

Integration abgelehnter Anteile

Ungeliebte Anteile, die unbewusst und/oder vorbewusst sein können -  werden oft nach außen projiziert und im Außen bekämpft. Wichtig ist es, im therapeutischen Prozess diese Anteile wahrzunehmen und zu akzeptieren. In Familien ist es oft der Patient auf den die negativen Anteile der Familie projiziert werden. Oft gibt es eine Spaltung, in der ein Geschwisterkind als der Sonnenschein erscheint.

Text: Bettelkind und Feuervogel

Sabrina: Der Traum

 

Eine korrigierende emotionale Erfahrung

Mit einer korrigierenden emotionalen Erfahrung sind alle Elemente des therapeutischen Prozesses gemeint, die auf eine Veränderung der Repräsentation hinzielen: Deutung, Empathie, Kompetenzerweiterung, Selbstgefühlsverstärkung. Sie führt zu einer Veränderung von Erwartungsmustern durch die (überraschend) andere – und damit korrigierende - Haltung des Therapeuten.

  • Beispiel: In einer Notsituation kann ich keine Hilfe erwarten
  • Beispiel: Wenn ich mich zeige, wie ich wirklich bin, werde ich verachtet/verletzt

Das Gefühl, ernst genommen und akzeptiert zu werden, ermöglicht eine neue korrigierende Objekterfahrung, die die Zuversicht und das Vertrauen in die eigenen Ressourcen stärkt.

 

Moments of now

Entscheidend für eine therapeutische Veränderung sind jene Prozesse, die zu impliziten Beziehungswissen führen. In der analytischen Beziehung beinhaltet dieser Bereich intersubjektive Momente zwischen Patient und Analytiker(Momente der Begegnung), die neue Organisationen in den interagierenden Personen schaffen oder die Beziehung zwischen ihnen neu organisieren können, die aber auch das implizite Wissen des Patienten und seine Art, mit anderen zu sein, verändern können. D. Stern

 

Mentalisierung

„Die Fähigkeit zu mentalisieren [ .. ] ist [ .. 1 eine Entwicklungserrungenschaft, die sich durch eine graduelle Sensibilisierung und das Erlernen der mentalen Bedeutung relevanter expressiver, handlungsbezogener, verbaler und situativer Zeichen herausbildet, die auf das Vorhandensein mentaler Zustände bei Menschen hinweisen“ (Gergely et al. 2002, S. 62).

„Mentale Zustände werden generell aus den relevanten beobachtbaren Zeichen erschlossen, und dies trifft für die eigenen Zustände genauso zu wie für die des Anderen, obschon die Arten der hinweisenden Zeichen in beiden Fallen unterschiedlich sein mögen“ (ebd., S. 64).

Erwachsene verfügen wie selbstverständlich über eine „Alltagspsychologie“, mit deren Hilfe sie eigene und fremde Handlungen verstehen und vorhersagen können: jemand öffnet das Fenster, weil er den Wunsch nach frischer Luft hat; er lächelt, weil er sich freut; er zeigt auf ein Objekt, weil er die Aufmerksamkeit darauf lenken will. Diese mentalen Zustände des Wünschens, Fühlens und der Aufmerksamkeit werden als Gründe oder Ursachen von Handlungen betrachtet. Erwachsene erklären sich Verhaltensäußerungen durch die Zuschreibung seelischer Zustände.

Frühe Bindungserfahrungen und spezifische Spiegelungsprozesse fördern die Mentalisierung.

Ist diese Fähigkeit gestört, so geht es bei der therapeutischen Arbeit darum, die Patienten und/oder ihre Eltern in der Wahrnehmung ihrer eigenen Emotionen und der Emotionen wichtiger Anderer in Konfliktsituationen zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam die Einordnung und Verarbeitung – ein gemeinsames Nachdenken über Konfliktsituationen - zu versuchen.

 

Doppeltes Arbeitsbündnis

Der Motivations‑ und Beziehungsaufbau hängt sehr von der unterstützenden Haltung der Eltern ab. Generell ist zu beachten, dass in der Kindertherapie ein doppeltes Arbeitsbündnis anzustreben ist.

Die begleitende Elternarbeit ist zur Bearbeitung der inneren elterlichen Beteiligung an dem vom Kind entwickelten Symptom und Konflikt von großer Bedeutung. Dabei steht der Kinderanalytiker immer im Spannungsfeld zwischen seinem analytischen Selbstverständnis und dem Auftrag der Eltern.

Das therapeutische Arbeitsbündnis ist definiert als ein Ergebnis des bewussten und unbewussten Wunsches des Kindes mitzuarbeiten und seiner Bereitschaft, bei der Überwindung innerer Schwierigkeiten und Widerstände die Hilfe des Therapeuten in Anspruch zu nehmen.

Für das Kind kann vor allem das In-Worte-Fassen von widersprüchlichen und ambivalenten Gefühlen bewirken, dass sein Vertrauen zum Therapeuten wächst, weil es das Gefühl hat, verstanden worden zu sein.

 

Die begleitenden Gespräche mit den Eltern

Kindertherapie ist ohne Mitarbeit der Eltern der Patienten nicht möglich. Die Eltern stellen das Kind vor, im Allgemeinen sind sie es, die sich Sorgen machen und die unter Leidensdruck stehen. Sie sind es auch, die die Therapievereinbarung mit der Kindertherapeutin treffen und die dafür sorgen müssen, dass ihr Kind regelmäßig zu den Sitzungen kommt. Für Ausfallstunden stehen sie gerade, über Fortführung oder Beendigung entscheiden sie.

Die Eltern müssen das Arbeitsbündnis mit der Therapeutin eingehen und tragen, oftmals gegen den erklärten Wunsch eines Kindes ‑ vielleicht weil es sich in einer Phase negativer Übertragung befindet, vielleicht auch, weil es schon zu Beginn keinen eigenen Leidensdruck verspürt. Erwachsene Patienten können ein Arbeitsbündnis auch in Zeiten negativer Übertragung aufrechterhalten, den Kindern fehlen dazu meist Reife und Einsicht. Sie sind hier, wie in so vielen Bereichen, auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.

Kindertherapie verlangt den Müttern und Vätern aber auch viel ab.

Der (unausgesprochene) Behandlungsauftrag der Eltern deckt sich nicht immer mit den Behandlungszielen der Kindertherapie: Sie wünschen sich eine Beseitigung der Symptome, möchten ihrem Kind seine Lebenschancen sichern, aber sie wünschen nicht unbedingt, dass die Kindertherapeutin sich mit der Familiendynamik befasst und schmerzhaft an die eigene Konfliktgeschichte der Eltern rührt.

 

Die Wiederbelebung infantiler Konflikte in den Eltern

Eltern zu werden bedeutet, in einen Entwicklungsprozess einzutreten.

Es wäre eine einseitige Betrachtungsweise, wollte man nur nach den elterlichen Konflikten und Schwachstellen Ausschau halten, die das Kind in irgendeiner Weise in seiner Entwicklung irritiert und schließlich in Therapie geführt haben.

Denn umgekehrt sind auch die Eltern Einflüssen und Anforderungen von Seiten ihres Kindes ausgesetzt, die in ihnen selber zu Veränderungen, Verschiebungen, Modifikationen im Selbstbild und in der Über‑Ich‑Struktur führen, zu Reifungsprozessen oder zur Neuauflage alter Konflikte.

Die Identifizierung mit dem Kind in seinem gerade erreichten Entwicklungszustand, mit seinen Affekten, seinen Möglichkeiten, seinen Wünschen und Ängsten weckt in den Eltern die Erinnerungsspuren und Internalisierungen aus eben jener Zeit. Natürlich rührt diese notwendige regressive Bewegung, die zum Einfühlen und Verstehen des Kindes unentbehrlich ist, auch an abgewehrte Konflikte und weckt sie zu neuem Leben.

Nicht zufällig stellt sich oft schon während der Anamneseerhebung heraus, dass Vater oder Mutter gerade in dem Alter, in dem nun auch das vorgestellte Kind ist, schwerwiegende Erlebnisse wie Geburt eines Geschwisterkindes, Verlust eines Elternteils o.Ä. zu bewältigen hatte.

 

Stärkung der elterlichen Position

Im „gesunden“ Verlauf der Eltern‑Kind‑Interaktion vermittelt das Kind seinen Eltern in seinem ganzen Ausdrucksverhalten die Botschaft: „Ihr seid gute Eltern, weil ich gut gedeihe. Ihr seid starke Eltern, weil ihr mich stärken könnt.“ Ist der Dialog aber misslungen, so kann die Kindertherapeutin vermittelnd einspringen.

 

Rücknahme von Projektionen, Entlastung des Kindes von pathogenen Selbstobjektfunktionen

Je sicherer die Zuversicht der Eltern ist, für ihre Kinder „gut“ sorgen zu können, desto eher werden sie in der Lage sein, pathogene Projektionen zurückzunehmen.

 

Regina Konrad

Psychotherapeutische Praxis

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