Keiner mag mich!! Ich bin verliebt! Ich bin soo allein
Ich bin die Größte
Ich schäme mich - Ich könnte in den Boden versinken
Wie eine Schlange, die sich häutet, wie ein Hummer, der seinen Panzer verliert, so findet man sich in der Pubertät in einem Äußeren wieder, das sich verändert. Als Kind fand man sich vielleicht schön in dem vertrauten Panzer. Als Jugendliche/Jugendlicher fühlt man sich plötzlich zu dick, zu groß, hässlich und entstellt mit der Akne im Gesicht. Der Körper verändert sich, alles gerät in Bewegung und das eigene innere Bild kann manchmal gar nicht Schritt halten mit diesem enormen Tempo. Man bewegt sich linkisch, auch weil der neue, der gewachsene Körper noch so unvertraut ist. In dieser Zeit messen wir dem Spiegelbild ungeheure Bedeutung zu. Aber der Spiegel zeigt uns nicht das, was die anderen sehen. Ein Lächeln kann Gesichtszüge erhellen, die in ihrer Unbewegtheit abweisend erscheinen. Wenn unser Gesicht in Bewegung ist, zeigt es etwas von unserer Persönlichkeit. Aber manchmal weiß man vielleicht selber nicht, wer man ist und welche Seite, welche Aspekte, welche Anteile man von sich zeigen möchte. Die inneren Schutzräume der Kindheit sind abhanden gekommen und so sucht man Schutz in der (gemeinsamen) Kleidung - die - wie die Musik - Zugehörigkeit, Verbundenheit symbolisiert. Das Outfit wird zum provisorischen Panzer. Auffallen und Bewundert werden wollen und gleichzeitig die Angst zurückgewiesen zu werden, belächelt, abschätzig behandelt. Das Bedürfnis nach einem Menschen, mit dem man alles teilen kann, nach Zärtlichkeit und Verstanden werden und die Angst vor Abhängigkeit, schrecklich viele unterschiedliche, widersprüchliche Gefühle, die so schwer einzuordnen sind, die einen hin und her reißen, hoch werfen und schmerzhaft aufschlagen lassen.
"Manchmal, wenn ich mittags nach Hause komme aus der Schule," sagt eine Jugendliche zu mir, "dann fühle ich mich so leer, so allein, dann stopfe ich massenhaft Süßes in mich rein und fühle mich danach nur noch elender." Und eine andere Jugendliche möchte einen Freund, sehnt sich nach Geborgenheit und Schutz, hat aber so große Angst vor Enttäuschung und Zurückweisung, dass sie sich immer wieder zurückzieht, wenn sie jemanden näher kennen lernt.
Gedanken zur Adoleszenz
Lisa, 16 Jahre.
Das ist ein schwieriges Lebensalter. Es ist so anstrengend, immer mit diesem Zweifel und dieser Unsicherheit zu leben. Man kommt mit der Umgebung überhaupt nicht klar, man ist aufsässig, man fühlt
sich unglücklich in der eigenen Haut, die irgendwie nicht mehr die eigene ist, unglücklich auch, weil man nicht versteht, was los ist, und weil man alleine ist.
Annika, 15 Jahre
Ich hab so sehr geheult, dass meine Augen ganz rot waren. Ich bin traurig und genervt und weiß nicht mal warum. Am liebsten würde ich die Zeit anhalten und wäre gern ganz weit weg. Es fällt mir
schwer zu denken, es fällt mir schwer, überhaupt zu leben, ich habe solche Angst, dass ich es nicht schaffe, mir selber Mut zu machen und mich zu trösten. Alles ist so wahnsinnig schwer, ich hab die
Nase voll vom Leben, aber ich liebe es...
Anton, 15 Jahre
Schrecklich, ich fühle mich ganz schrecklich, diese Pickel, furchtbar. Ich habe das Gefühl, dass alle Leute mich anschauen, ich weiß gar nicht mehr, was für ein Outfit ich mir noch ausdenken soll, um
mich besser zu fühlen und um mich zu verstecken. Ich weiß nicht, hoffentlich geht es schnell vorbei, denn so, wie es ist, na danke... Meine Mutter sagt, dass es nicht so bleibt, aber bis dahin-
Scheißangst!
Bücher zur Adoleszenz:
Mario Erdheim: Die gesellschaftliche Produktion von Unbewusstheit
Francoise Dolto: Von den Schwierigkeiten, erwachsen zu werden
Sylvia Schneider: Birgit Rieger: Das Aufklärungsbuch
Literatur
J.D.Salinger(1951): Der Fänger im Roggen. rororo
Wolfgang Herrndorf(2010): tschick. rororo
Bov Bjerg(2015): Auerhaus. Blumenbar
Truman Capote(2006): Sommerdiebe. Kein&Aber
John Green(2009): Eine wie Alaska
ElenaFavilli(2018): good night stories for rebel girls
Benedict Wells(2021): Hard Land
Mithu Sanyal(2021): Identitti. Hanser
David Levithan(2016): Letzendlich sind wir dem Universum egal
Otfried Preussler(1972): Krabat
Michael Ende(1978): Die unendliche Geschichte
Ulrich Plenzdorf(1976): Die neuen Leiden des jungen W. Suhrkamp
Benjamin Lebert(1999): Crazy. Goldmann
Irina Denezkina(2002): Komm. Fischer
Wei Hui(1999): Shanghai Baby. Ullstein
Wang Shuo(1995): Herzklopfen heißt das Spiel. Diogenes
Que Du Luu(2008): Totalschaden. dtv
Mary E.Pearson(2008): Zwei und Dieselbe. Fischer
Anna Rheinsberg(1989): Alles Trutschen. Sammlung Luchterhand
Anne-Sophie Brasme(2001): Dich schlafen sehen. München. Goldmann
Cesare Pavese(1949): Der Teufel auf den Hügeln. List
Sandor Marai(1930): Die jungen Rebellen. Piper
Anne Frank(1942-1944): Tagebuch. Frankfurt. Fischer
J.W.Goethe(1789): Die Leiden des jungen Werthers
Karl Philipp Moritz(1785-90): Anton Reiser. Insel
Sherwood Anderson (1919): Winesburg, Ohio
James Joyce(1916): Jugendbildnis
Thomas Mann(1903): Tonio Kröger. Fischer
Joseph Conrad(1900): Lord Jim
Hermann Hesse(1906). Unterm Rad. Suhrkamp
Adoleszenz - der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenwerden. Der
Körper verändert sich, die Gefühle, die Freundschaften, die Beziehung zu den Eltern. Sexualität wird wichtig, Geborgenheit und Schutz bleiben wichtig. Die Freundin/ der Freund wird zum Vertrauten,
mit dem wir unseren Kummer teilen, mit dem wir uns stärker fühlen - eine verwandte Seele, Alter ego. Erwachsene werden in dieser Zeit äußert kritisch gesehen. Ihre Werte unter die Lupe genommen,
überprüft, wie authentisch sie sind. Jugendliche machen sich auf die Suche nach neuen Vorbildern, nach Modellen, nach Lebenszielen. Sie suchen nach einem Sinn und wollen vor allem Antworten auf ihre
Fragen. Grenzen werden ausgetestet und neu gesteckt, das Bedürfnis nach neuen anderen Erfahrungen, nach Bewusstseinserweiterungen führt manchmal zum Kontakt mit Drogen, aber auch zu Erfahrungen mit
Meditation und Yoga; die Suche nach stimmigen Antworten führt zur Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, anderen Lebensformen. Die Welt der Erwachsenen kommt vielen Jugendlichen verlogen vor, und
sie haben das Bedürfnis, die Welt zu verbessern.