Der Kranke und seine Krankheit in der Literatur

 

Hilft uns die Literatur Kranksein besser zu verstehen

 

Das Lesen zeitgenössischer Literatur kann uns Therapeuten vielleicht helfen, unsere Sprachkompetenz zu erweitern: Um möglichst umfassend, differenziert und bildreich über Krankheit sprechen zu können, kann eine Beherrschung mehrerer Sprachregister hilfreich sein. Hierfür kann die Beschäftigung mit moderner Literatur sensibilisieren

Krankheit wird in der gegenwärtigen Literatur häufig thematisiert. Dies ist Ausdruck des Bedürfnisses von Menschen, über die individuelle Bedeutung dieser immer präsenten Bedrohung zu sprechen. Literatur hat gegenüber wissenschaftlicher Kommunikation den Vorteil, dass sie nicht konkret zweckgerichtet ist. Aus ihr müssen keine Prognosen oder Handlungsanweisungen abgeleitet werden, und sie muss nicht intersubjektiv überprüfbar sein. Deshalb kann sie sich erlauben, unverbindlich und unvollständig, sogar unverständlich zu sein - auch darin kann für den Leser eine Aussage liegen. Zugleich vermag Literatur aber Phänomene in ihrer ganzen Komplexität und Kompliziertheit beschreiben. So kann sie Krankheit unter jedem beliebigen Aspekt thematisieren: Sie kann die Frage nach dem persönlichen Sinn einer Erkrankung stellen, sie kann auch nicht-medizinische Bezüge zur Biographie des Kranken sowie zu seiner Familiengeschichte herstellen, und sie kann das Thema auch unter religiösen oder philosophischen Gesichtspunkten betrachten. Die Beschäftigung mit Literatur ermöglicht also eine Auseinandersetzung mit Aspekten des Themas Krankheit, die in der wissenschaftlichen Sprech- und Denkweise nicht immer ausreichend Berücksichtigung finden.

Krankheit und Kunst, Medizin und Literatur hängen auf vielfältige Weise zusammen; Katharsis wird seit der Antike mit dem Besuch von Tragödien verbunden. Bibliotherapie basiert auf der therapeutischen Kraft des Lesens, die heilsame Wirkung des Schreibens wird mit dem Ausdruck Graphotherapie bezeichnet. Goethe empfindet sich nach der Niederschrift des Werther erlöst „wie nach einer Generalbeichte, wieder froh und frei zu einem neuen Leben“. Jede Kunsttherapie hat eine rezeptive und produktive Form, heilsam kann die Aufnahme des Allgemeinen, ebenso aber auch die Entäußerung des Individuellen sein. Kafka erinnert mit Recht allerdings daran, dass Kunst jede Therapie im unmittelbar medizinischen Sinn überschreitet; Bücher seien wie „die Axt für das gefrorene Meer in uns“. 

 

Klassiker

 

Thomas Mann: Der Zauberberg

 

Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe

 

Ingeborg Bachmann: Malina

 

Peter Weiss: Abschied von den Eltern

 

Hans Fallada: Der Trinker

 

 

Krankheit als Metapher

 

Albert Camus: Die Pest

 

Depression Angst Sucht

 

Benjamin von Stuckrad Barre: Panikherz. Kiwi 2017

 

Lana Lux: Jägerin und Sammlerin. Aufbau 2020

 

Isabel Bogdan: Laufen. Kiwi 2019

 

Ameisen, O.: Das Ende meiner Sucht. Kunstmann 2009

 

Styron, W.: Sturz in die Nacht. Die Geschichte einer Depression. Ullstein. Berlin 2010

 

Benjamin Maack: Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein, Suhrkamp 2020

 

Oz, A.: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis. Suhrkamp 2006

 

Jana Seelig: Minusgefühle. Piper 2015

 

Kathrin Weßling: Nix passiert. Ullstein 2020

 

Till Raether: Bin ich schon depressiv, oder ist das noch das Leben? Rowohlt 2021

 

Thomas Melle: Die Welt im Rücken. Rowohlt 2018

 

Natascha Wodin: Sables d'Olonne. In: Der Fluss und das Meer. Rowohlt 2023

 

 

Krankheitsbilder

 

Nicht gesellschaftsfähig. Glücklicher Montag Verlag 2021

 

Betroffene berichten von ihren Erfahrungen mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Konkret, fernab von theoretischen Erklärungsmustern. Mit Illustrationen, Farbfotos, Cartoons. Das Buch ist eine Einladung zu Empathie und zur Enttabuisierung. Ein Aufruf an alle, die selbst betroffen sind: Du bist nicht allein.

Beiträge u.a. von:

Peter Wittkamp: Mein erster Zwang

Rebecca Haar: Der Alltag mit Migräne

Andrea Fleßner: Mein Rucksack mit den verpassten Chancen

Christian von Aster: Mehr Traurigkeit als Platz dafür

 

 

Siri Hustvedt: Die zitternde Frau. Rowohlt 2010

 

Knapp drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters wurde Siri Husvedt, während einer Gedenkrede auf ihn, plötzlich von einem unkontrollierbaren Zittern geschüttelt. War das Hysterie, ein zufälliger Anfall?, fragt sie sich.

In "Die zitternde Frau" erzählt sie von ihrer Erkenntnissuche, ihren Erfahrungen mit den unterschiedlichen Antworten, die sie aus Psychoanalyse, Neuropsychiatrie erfährt. Aber auch eine Geschichte der unterschiedlichen Diagnosen - je nach Perspektive, nach theoretischem Hintergrund erfährt man hier.

Sie stellt fest, dass es klare Gesetze über das Wechselspiel von Geist, Psyche und Körper nicht gibt - oder dass wir sie nicht kennen.

 

Kinder- und Jugendbücher

 

Lara Schützsack: Und auch so bitterkalt

Lucinda scheint in einer anderen Welt zu leben miteigenen, erbarmungslosen Regeln. Sie wird immer dünner, behauptet keinen Hunger zu haben. Ein Mädchen in den Fängen der Magersucht.

 

John Green: Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken

 

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter

 

Neal Shusterman: Kompass ohne Norden. Hanser 2018

 

Ceylon Scott: Auf einer Scala von 1 bis 10. Carlsen 2019

 

Kim Young-Ah: Auch solche Tage gibt es. Aracari 2018

Manchmal gibt es Tage, an denen man sich ganz allein fühlt. Wie kann man mit Gefühlen von Verlassenheit und Einsamkeit umgehen? Wie komme ich aus diesem tiefen, schwarzen Loch?

 

Transgenerationale Weitergabe von Traumata

 

Alex Schulman: Verbrenn all meine Briefe

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