Familie Ramirez II

Ungefähr ein Jahr später. Mutter und Tochter.

Es geht um eine heftige Auseinandersetzung zwischen Nikki und ihrem Vater. Er kommt oft gereizt nach Hause, seine schlechte Laune breitet sich am Esstisch aus. Nikki vergeht der sowieso schon geringe Appetit, auch sie wird gereizt, blafft ihn an. Die Mutter hätte es gerne harmonischer, sie toleriert und erträgt die Launen des Mannes, setzt ihm wenig Grenzen. Je apathischer sie reagiert, desto heftiger wird Nikki. Sie ist wütend über den Terror des Vaters, über die Unterwürfigkeit der Mutter. Sie wehrt sich gegen ihn, verschleißt sich dabei, sie setzt ihre Gesundheit ein, um im Machtkampf  mit dem Vater zu gewinnen. Ich möchte sie aus der Schusslinie bringen und schlage ihr ein, zwei Sätze vor, mit denen sie ihre Gefühle besser verwörtern kann. Die Mutter ist begeistert. „Siehst Du, Nikki,“ sagt sie, „so wie die Frau Konrad das jetzt gesagt hat, so musst Du mit ihm reden.“ „ Ach, wissen Sie, Frau Ramirez“, antworte ich ihr, „als ich 16 war, da habe ich auch nicht so mit meinem Vater geredet.“ Wir lachen alle drei. Die Therapeutin, die auch einmal eine rebellische Jugendliche war und jetzt so klug daher reden kann. Eine schöne Vorstellung. Die Sitzung klingt in einer heiter- gelösten Stimmung aus.

Bei meinem Vorschlag ging es mir natürlich nicht darum zu sagen, wie „man“ es richtig macht. Es ging um ein Angebot an die Jugendliche, mit mir zusammen in eine gute räumliche und zeitliche Distanz zu gehen und aus dieser neuen Perspektive auf die familiären Konflikte zu schauen. Ergibt sich daraus eine neue Möglichkeit, mit dem Konflikt umzugehen?

Eine Woche später kommt Nikki feixend zu ihrer Sitzung. Die Familie war am Sonntag essen und der Vater hatte die ganze Zeit eine schreckliche Laune. Dauernd habe er an ihr rumgenörgelt, gemeckert, sie esse zu wenig, sie sähe grauenhaft aus. Sie habe trotzdem ihre Portionen gegessen. Habe sich nicht provozieren lassen. Auf dem Nachhauseweg habe die Mutter plötzlich gesagt: „Halt an, Julian. Das reicht jetzt. Ich steige aus. Deine miese Laune ist unerträglich.“ Sie wär dann auch ausgestiegen und eine Strecke zu Fuß gegangen. Der Vater wär total geschockt gewesen. Er habe sich bei ihr entschuldigt: „Deine Mutter hat Recht,“ habe er zu ihr gesagt,  „ich hab mich total gehen lassen. Das tut mir leid.“ Sie haben dann angehalten und auf die Mutter gewartet, die dann wieder eingestiegen sei.

 

Psychotherapeutische Praxis

Regina Konrad

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