Eine Stunde mit der 16 jährigen Lucia

"Ich bin ja heute so kaputt, ich habe ganz wenig geschlafen, Bio geschrieben, mir totalen Stress gemacht. Morgen ist ein fürchterlich langer Tag, mich graust schon jetzt davor. 7 Stunden Unterricht und dann auch noch 4 Stunden Musikprobe für den Musikabend, 14 Stunden in der Schule. Ich bin dann da die ganze Zeit und mir fehlt die Zeit, um für die Klausuren zu üben, die ich nächste Woche schreibe. Ich muss die Leistung bringen, die von mir erwartet wird, die die Lehrer von mir erwarten. Neulich hat jemand zu mir schon nach 5 Stunden gesagt, Du siehst ja ganz fertig aus. Wie seh ich dann nach 14 Stunden aus? Verschwitzt, fettige Haare, ich stinke, ich steigere mich da total rein und will dann nur noch weg, kann an nichts anderes mehr denken". Sie jammert und beklagt sich. So fängt fast jede Stunde an. Müll abladen. Manchmal dauert es 30 Minuten, manchmal schaffe ich es, früher einzugreifen. Ich weiß, dass sie gerne Musik macht, die Musikabende liebt  und so frage ich sie, was sie denn proben. „Don't worry, be happy“ als 'a cappella' Stück, das Stück mag sie und bei dem Gedanken daran, wandelt sich die Stimmung ein bisschen. Sie erzählt von den Proben und wie viel Spaß das Singen macht. Dann gehe ich mit ihr durch den morgigen Tag: die ersten 2 Stunden Klausur, dann Physik, dann Erdkunde, dann eine Pause 2 Stunden Mathe und Deutsch. Die Klausur, da wär sie konzentriert, Physik mag sie, Erdkunde auch, die Pause, es gäb gar keinen Raum zur Entspannung, und sie fängt wieder an zu jammern, alles wäre so müllig und so laut, nirgends fände man Ruhe. Dann fallen ihr doch ein paar Räume ein, in denen sie gerne ist und wir überlegen, wobei sie sich entspannen könnte. Musik hören. Jetzt fallen ihr plötzlich viele entspannende Stunden ein: Gestern im Oberstufenraum habe sie zusammen mit zwei Freunden am Computer Quatsch gemacht, z.B. Langeweile bei google eingegeben oder Musikvideos auf youtube gesehen, das war richtig schön. Jetzt fällt ihr zu der Klausur morgen ein, wie gut sie eigentlich vorbereitet ist, dass sie, weil sie jeden Tag den Stoff wiederholt, vor der Klausur gar nicht soviel lernen muss. Sie wird immer zufriedener. Dann fällt ihr eine Situation vor zwei Monaten ein, als sie am Musikraum vorbeigekommen ist und es waren gerade Präsentationen und sie sei freiwillig geblieben, weil es so schön war. Als wir genug schöne Situationen gesammelt haben, gehe ich mit ihr in eine Metaposition. Was sie im Vorfeld macht, um sich vor dem Tag zu grausen und wie sie jetzt über den Tag denkt. Ihr fällt auf, dass, wenn  sie sich vorstellt, freiwillig etwas zu machen, es ihr leichter fällt, an den Tag zu denken. Die Vorstellung nicht ausgeliefert zu sein, sich entscheiden zu können, sei wichtig. Dann gehe ich mit ihr einen Schritt weiter. Es geht um äußere Umstände und die innere Einstellung dazu. Wie man die äußeren Umstände interpretiert und ich erzähle ihr von Czikszentmihaly und dem flow - Zustand. Ihr fällt dazu ein, dass sie heute in der Bioklausur, die ganze Zeit das a capella Stück innerlich gesungen habe und dadurch richtig heiter wurde. Jetzt überlegen wir, wie sie, wenn sie merkt, dass sie sich in einen düsterer Zustand hineinimaginiert, diesen Vorgang stoppen kann, und wie sie in den heiteren Zustand, in dem sie jetzt ist, überwechseln kann. Wir finden das Bild von einem düsteren Ufer und einem Ufer im Sonnenschein und einer Brücke dazwischen. Die wichtige Frage ist, wie man die düsteren Gedanken stoppt und wie man von der einen Seite zur anderen Seite kommt.  

Psychotherapeutische Praxis

Regina Konrad

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